Vient de paraître: Andreas R. Ziegler, Johann Caspar Bluntschli, Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten (1868), in: Brocker, Manfred (Hrsg.) Geschichte des politischen Denkens III – Das 19. Jahrhundert (Suhrkamp Verlag, Berlin, 2021, ISBN: 9783518299418).
Johann Caspar Bluntschli (1808-1881) veröffentlichte 1868 ein Buch, das allgemein als erster (deutschsprachiger) Kodifikationsversuch des Völkerrechts gilt: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten als Rechtsbuch dargestellt. Diese Publikation und die zahlreichen Übersetzungen etablierten ihn als einen der führenden Völkerrechtler (Akademiker und Gutachter) seiner Zeit, was durch seinen Einfluss auf das berühmte Alabama-Schiedsurteil (1870) und seine prägende Rolle als Gründungsmitglied des Institut de Droit international in Gent und der International Law Association in Brüssel (beide 1873) bestätigt wurde. Insbesondere bei den Friedenskonferenzen im Haag von 1899 und 1907 war der Einfluss seines Werkes auf die Verhandlungen und die Kodifikationsergebnisse bedeutend. In den USA erreichte es (und sein Gedankengut allgemein) durch die enge Zusammenarbeit mit Francis Lieber eine starke Verbreitung in Praxis und Lehre, was unter anderem auch den späteren Präsidenten Woodrow Wilson (1856-1924) beeinflussen sollte (Notter1965, 33).
Dabei war Bluntschli eigentlich erst relativ spät in seinem Leben und vielleicht sogar notgedrungen zum Völkerrechtler geworden (Ziegler 2016, 30). Geboren wurde er am 7. März 1808 als Sohn eines reichen Kerzen- und Seifenfabrikanten in der Stadt Zürich, wo er die Schulen und das sogenannte Politische Institut besuchte. Es folgten entsprechend der Tradition der Zeit vertiefte Rechtsstudien im Ausland: einerseits an den deutschsprachigen Universitäten Berlin und Bonn (Dr. iur. utr. 1829 aufgrund einer Dissertation über das römische Erbrecht), andererseits ein kurzer Aufenthalt in Frankreich zur Weiterbildung in der französischen Gerichtspraxis.